Müllfrei,  Zero Waste

Wie unsere Volksschule zum umweltfreundlichen Heftepaket kam

Mein Sohn steht vor der 1. Klasse Volksschule. Jahrgang 2021/2022. Eine Riesenänderung steht vor der Tür. Der Wecker läutet und wir müssen aufstehen, anstatt noch etwas liegen zu bleiben. Ab jetzt wird schief geschaut, wenn wir nicht pünktlich da sind. Und mein Großer gehört jetzt eindeutig nicht mehr zu den Kleinen. Neue Herausforderung: Den schulischen Dingen widmen. Und da werden wir Eltern vor den Sommerferien mit einer langen Liste konfrontiert, was unsere Kinder alles ab September benötigen. Sieht so ein umweltfreundlicher Schulanfang aus?

Laut der Liste werden Hefte, Heftschoner und Mappen gemeinsam über die Schule bestellt … eine angenehme Erleichterung! … Aber Heftschoner aus Plastik? Schnellhefter auch? Und auf Seite zwei stehen noch Dinge wie: Küchenrolle, Einweg-Taschentücher, Plastilin, Küchenschwamm …

Wie war das nochmal mit dem Vorbildsein für unsere Kinder? Ich möchte doch meinen Kindern zeigen, wie das mit dem nachhaltigen Lebensstil funktioniert und dann sowas?

Erster Gedanke: Ich mach bei der gesammelten Bestellung nicht mit und kaufe dafür selbst ein.

Also rufe ich mal an und frage bei der Lehrerin nach. So ganz begeistert dürfte sie nicht gewesen sein, aber es wäre ihr recht unter folgenden Bedingungen:

  • Die Heftschoner aus Karton/Papier müssen in der vorgegebenen Farbe sein wie die aus Plastik
  • Die Heftschoner müssen ausgetauscht werden wenn sie mit Fettflecken versehen werden
  • Stoff-Taschentücher muss ich regelmäßig saubere mitgeben
  • Bevor das Plastilin benötigt wird, schreibt die Lehrerin zeitgerecht ins Mitteilungsheft. Mein Sohn muss meine DIY-Knete dann mitnehmen

Prima, damit lässt sich doch was zaubern. Knete mach ich immer frisch bevor mein Kind es braucht, Taschentücher werden sowieso regelmäßig gewaschen, das Risiko der Fettflecken gehe ich ein und die Heftschoner gibts bestimmt auch ….

… ähm in Lila, Rosa, Weiß und das im Format Quart? (Falls du dich jetzt fragst: Was ist dieses komische Quart? Von der Größe ist es wie A4 nur etwas weniger hoch, scheinbar eine österreichische Erfindung)

Etwas voreilig nutzte ich dann die Social Media Plattformen und fragte wer nachhaltige Heftschoner kennt und wo man die kaufen kann. Erst dann begann ich selbst zu suchen. Die Rückmeldungen von euch waren großartig! Meine eigenen Recherchen auch ok.

Durch eure Rückmeldungen habe ich erfahren, dass es bereits viele Schulen und Lehrer im Burgenland gibt, die auch auf Umweltschutz achten und von vorne herein Plastik und Co. vermeiden. Und es klappt! Meine Motivation steigt und ich finde sogar die ausgefallenen Farben bei den Heftschonern aus Karton.

Von mehreren Ecken erfuhr ich dann, dass auch andere Eltern interessiert daran wären….

Zweiter Gedanke: Warum nicht gleich für alle aus dem Jahrgang die nachhaltigen Alternativen kaufen?

Also über den eigenen Schatten springen, für alle umweltbewussten Eltern aufstehen und die Direktorin darauf ansprechen. Hintergrund war auch, dass von den Eltern mit denen ich sprach, teilweise bedenken ausgesprochen wurden, dass diese bzw ihre Kinder nicht schlechter gestellt werden sollen durch diese Entscheidung. Damit packte mich der Ehrgeiz. Interesse für Umweltschutz darf kein Grund sein um auf irgendeine Art gemobbt oder schlechter gestellt zu sein.

Also richtete ich die Zielscheibe auf mich und nahm mit der Direktorin Kontakt auf.

Das Gespräch verlief dann besser als gedacht. Die Direktorin war auch sehr interessiert am Umweltschutz, bekrittelte sogar die Unmengen an Müll die mit jedem Covid-Test in der Schule einhergehen und sagte zu, für den gesamten Jahrgang das nachhaltige Heftepaket zu bestellen. Grundvoraussetzung: Ich sollte mit dem Lieferant (ein lokales Fachgeschäft im Bezirk) abklären, welche Alternativen genommen werden. Zusatz der Lehrerin: Die Farben müssen wie vorgegeben sein, weil die Kinder mit den Farben besser zurecht kommen, als wenn man ihnen sagt, hole bitte das Mathematikheft heraus. Damit hatte sie auch recht, schließlich lernen die Kinder in der Volksschule erst lesen. Mich kitzelte zwar noch die Frage warum die Farben exakt so sein müssten wie gefordert, aber akzeptierte dann ihre Forderung ohne zu hinterfragen. Schließlich möchte ich nicht ihre Integrität in Frage stellen, sondern unseren Kindern einen umweltfreundlichen Schulstart bieten.

Noch am nächsten Tag war ich beim Lieferant im Bezirk. Die dann meinten, es gäbe Probleme mit den Farben Rosa, Lila und Weiß. Mit der Frage rechnete ich aber schon und zeigte ihnen ein österreichisches Unternehmen die genau diese Farben, sogar in Quart, liefern konnten. Eine Woche vor den Ferien sollte ich mich in der Schule mit der Direktorin und der Klassenlehrerin treffen für ein finales Gespräch. Damit war alles geklärt. Ich war glücklich.

Dritter Gedanke: Äh

Dann kam der Anruf der Direktorin. Die Direktorin wollte sich am Freitag, eine Woche vor Schulschluss mit mir treffen und das tat ich auch. Sie gaben mir einen ausgedruckten Zettel, den ich unterschreiben sollte. Auf dem stand, dass ich mit allen Eltern gesprochen habe und diese mir ihre Zusage gegeben haben zu dem nachhaltigen Heftepaket. … Pause … Schlucken … Überlegen … Wie soll ich so ein Schreiben unterzeichnen, wo ich eben nicht alle Eltern kenne und damit auch nicht mit allen gesprochen haben kann?

Meine Frage: Gibt es eine Möglichkeit alle Eltern darüber zu informieren? Vielleicht per Email?

Nein, denn aus DSGVO Gründen dürfen sie die Daten nicht hergeben. Mein Techniker-Herz hielt den Daumen nach oben. Genau so sollte es auch sein. Aber ich meinte, dass die Direktorin die Eltern anschreibt.

Nein, das geht nicht, da nicht alle Eltern über eine Email verfügen. Hm … hm … ok…

Das nachhaltige Heftepaket kann nur für die bestellt werden, von denen ich auch eine Zusage bekommen habe. Die Liste aller Kinder, die ein nachhaltiges Heftepaket bekommen, soll ich am Dienstag um 7:00 Uhr abgeben.

Vierter Gedanke: Challenge accepted

Es war Freitag 8 Uhr, das Wochenende dazwischen und nur Zeit bis quasi Montag Nacht um alle Eltern der zukünftigen Erstklassler zu kontaktieren, die ich nicht einmal alle kannte.

Ich ging aus der Schule hinaus und mein Kopf ratterte wie Wild und suchte eine Lösung.

Und dann war sie da.

Angeblich sind alle Erstklassler (vielleicht mit Ausnahmen) aus Pöttsching. Durch die Kindergartenpflicht im letzten Kindergartenjahr, müssten alle dort auffindbar sein. Also gleich bei unserer Kindergartenleitung angerufen und nachgefragt ob es möglich wäre, bei allen Vorschulkindern einen Zettel in den Rucksack zu geben. Die Antwort: Ja

Wuhuu, Freude, Hupfen, Tanzen und ab zum Computer ein Schreiben verfasst um die Eltern zu informieren, dass es ein nachhaltiges Heftepakte geben wird und dass sie mir bis Montag Abend zusagen sollen wenn sie es auch für ihr Kind wünschen. Damit den Eltern klar ist, dass das kein Werbebrief, sondern eine fix besprochene Sache mit der Schule ist, habe ich darauf hingewiesen, dass dies in Kooperation zwischen der VS Pöttsching und Distelgrün organisiert wird.

Als alles fertig geschrieben war, schlug Murphys Gesetz zu. Mein Drucker druckte nicht, Scannen ging aber. Meine Panik war groß, denn ich wollte die Zettel bis Mittag im Kindergarten verteilen. Also fragte ich meine Nachbarin ob sie mir einen Zettel ausdrucken konnte. Ihr Drucker blinkte schon …

Tintenpatronen fast aufgebraucht.

Gott sei dank, ein Zettel erfolgreich gedruckt. Zurück in mein Büro und auf Scannen drücken. Dreißig Kopien geschafft. Mein Herz war erleichtert. Ich lieferte alle Zettel im Kindergarten ab, die dann dort verteilt wurden.

Es war 11 Uhr.

Alles was getan werden konnte, war getan. Der Ball war geworfen, jetzt musste er nur noch fliegen und landen. Es hieß abwarten.

Dankbarkeit

Am Dienstag um 7 Uhr stand ich vor allen Volksschulkindern in der Schule und übergab der Klassenlehrerin einen Zettel auf dem fünfzig Prozent aller Erstklassler standen. Die Hälfte aller Schüler, aus insgesamt zwei ersten Klassen, werden dieses Jahr mit einem nachhaltigen Heftepaket starten. Leider konnte ich in der kurzen Zeit nicht alle Eltern erreichen, denn wie ich hinterher erfuhr, hätte es noch mehr Eltern mit Interesse gegeben. Aber das Endergebnis hatte meine Erwartungen übertroffen und ich bin überglücklich und dankbar allen Eltern da draußen, die für ihre Kinder eine umweltfreundlichere Zukunft wünschen.

Was du aus dieser Geschichte mitnehmen kannst

Trau dich! Es gibt da draußen mehr Menschen die sich für das Thema Umweltschutz interessieren als du denkst! Sprich es aus, vielleicht hat der ein oder andere noch gar nicht daran gedacht? Wäre aber dennoch offen für Veränderung? Oft stecken wir so mit unseren Gedanken im Alltag fest, dass uns Kleinigkeiten nicht auffallen. Kleinigkeiten die ohne Mühe ganz einfach umweltfreundlich gestaltet werden können.

Lasst uns den Mut finden um unseren Kindern eine besser Welt zu ermöglichen.

Danke, für diese Erfahrung.